Zusammenfassung Pflegezeiten in Altenheimen nehmen oft nur einen kleinen Teil des gesamten Tages in Anspruch. Die Frage, welche Spielräume die Bewohner*innen selbst für die autonome Gestaltung der verbleibenden pflegefreien Zeiträume in einer totalen Institution haben und welche normative und ethische Bedeutung diesen zukommt, ist im deutschsprachigen Diskurs bisher kaum untersucht worden. Dabei deuten Lebensberichte und Studien darauf hin, dass Heimbewohnerinnen und -bewohner in der Regel keine Möglichkeiten haben, ihre freie Zeit sinnvoll autonom zu gestalten. In diesem Artikel werden die Gründe (...) für diese Situation aus einer sozial- und zeitethischen Perspektive beleuchtet. Dabei wird auf die sozialethische Methodik der Strukturreflexion zurückgegriffen und aus den besonderen Charakteristika totaler Institutionen ein empirisch fundierter institutionsethischer Ansatz zur Beurteilung der institutionellen Zeitstrukturen entwickelt. In unserer Gesellschaft, die Zeitlichkeit wesentlich als ein reziprokes Verhältnis von Arbeits- und Freizeit strukturiert, gibt es keine Formen gesellschaftlich anerkannter Zeitlichkeit für Menschen ohne Erwerbsarbeit; also auch nicht für Menschen in der stationären Altenpflege. In deren Institutionen wird die private Zeit der Menschen zudem institutionell vermachtet und vollständig in Institutionszeit umgewandelt. Damit können die Bewohner*innen ihr Recht auf individuelle Zeitlichkeit bestenfalls eingeschränkt verwirklichen. Um dieser Problematik zu begegnen, wird empfohlen, die _Eigenzeit_ als dritte gesellschaftliche Struktur der Zeitlichkeit gegenüber der Arbeits- und Freizeit zu etablieren und auch in totalen Institutionen zu verankern. In ihr und mit ihr kann Zeitsouveränität und damit das gute Leben verwirklicht werden. (shrink)