Science (of) fiction: Zur Zukunft des Gedankenexperiments in der Philosophie des Geistes

In P. Spät (ed.), Zur Zukunft der Philosophie des Geistes. Mentis (2007)
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Abstract

Egal was der heutige Tag auch bringen mag, der 1. April 2063 wird zumindest als der Tag in die Geschichte des Wissenschaftsjournalismus eingehen, der die bisher aufwändigste Berichterstattung erfahren hat. So viele Kamerateams, wie hier vor den Toren der Australian National University in Canberra, hat bisher kein wissenschaftliches Experiment anziehen können. Selbst der Knüller des Vorjahres, als es einer 48jährigen Hausfrau in einem Vorort von London gelang, mit einfachsten Küchenutensilien einen kleinen Kalte-Fusion-Reaktor herzustellen, der den Staubsauger und die Mikrowelle zuverlässig mit sauberer Energie versorgte, hatte bei weitem nicht ein solches Echo in der Wissenschaftspresse erfahren. Es war zwar noch nichts über den Experimentausgang zu erfahren, trotzdem wurde freilich seit drei Tagen ununterbrochen live auf fast allen Kanälen aus Canberra darüber berichtet, dass nun zwar noch nichts zu erfahren sei, dass es aber ja sehr bald soweit sein müsse. Das Experiment, dessen Ausgang man hier so gespannt erwartete, war schon im Vorfeld hitzig diskutiert worden und überhaupt nur durch einen Sonderbeschluss der Vereinten Nationen zustande gekommen. Immerhin läuft die Vorbereitung bereits seit fast 30 Jahren, als sich mehrere Philosophen und Bürgerinitiativen zusammenschlossen, die UNO um eine endgültige Klärung einer der ältesten Fragen der Menschheit zu bitten: Was ist Bewusstsein? Und insbesondere: Ist Bewusstsein etwas anderes als physikalisch beschreibbare Zustände unseres Gehirns, oder sind alle Tatsachen letztlich physikalische Tatsachen? Dass diese Fragen trotz ihres Ehrfurcht einflößenden Alters zunehmend auf den Nägeln brannten, hatte nicht zuletzt die jüngste Entwicklung der Computertechnologie befördert. Nachdem die KI in den letzten Jahrzehnten einen großen Schritt vorwärts gemacht hatte, war man in Sorge, dass ohne endgültige begriffliche Klärung dieser Fragen unser zukünftiger Umgang mit unseren elektronischen Helfern auf moralisch unsicherem Boden stehen könne. Man hatte sich daher nach langer Abwägung der ethischen Aspekte dieses Experiments dazu entschieden, ein gerade neugeborenes Waisenkind in einem völlig schwarz-weiß-grauen Raum groß werden zu lassen, sorgsam darum bemüht, dass die kleine Mary (so hatte man das Mädchen in Anlehnung an die Protagonistin einer fiktiven philosophischen Geschichte genannt) keine Farben zu Gesicht bekommt..

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Daniel Cohnitz
Utrecht University

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2009-01-28

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