Demokratische Urteilskraft nach Arendt

Zeitschrift für Praktische Philosophie 6 (1):257-288 (2019)
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Abstract

Als Signatur moderner demokratischer Gesellschaften gilt heute weithin, was John Rawls zu Beginn der 1990er Jahre als „vernünftigen Pluralismus“ bezeichnet hat. Mit ihm einher geht die Frage, wie divergierende Lebensformen miteinander ins Gespräch gebracht werden können und wie sich dabei zu legitimen politischen Urteilen kommen lässt. Ich werde in meinem Beitrag argumentieren, dass sich die genannte Frage lösen lässt, wenn wir uns der jüngeren Diskussion von Arendts Theorie der Urteilskraft von Linda Zerilli zuwenden und diese mit Rahel Jaeggis Überlegungen zur Kritik von Lebensformen verbinden. Dafür werde ich zunächst Arendts Überlegungen zur politischen Urteilskraft rekonstruieren und zeigen, wie diese Kants Modell der ästhetischen Urteilskraft auf den Bereich des Politischen zu übertragen versucht. Ich werde argumentieren, dass Arendt diese Transposition nur teilweise gelingt und eine Reihe von wichtigen Fragen ungelöst bleibt. Arendts Überlegungen sind damit jedoch keineswegs obsolet, sondern müssen vielmehr weiter gedacht werden. Zerilli hat hierfür jüngst einen wegweisenden Vorschlag vorgelegt, der Arendts Theorie der Urteilskraft nicht mehr im Ausgang von Kant, sondern von Wittgenstein zu denken versucht. Die damit einhergehende Perspektivverschiebung erlaubt es, den Streit zwischen divergierenden Lebensformen mit Jaeggi als eine mit den Mitteln der immanenten Kritik geführte Auseinandersetzung um deren Lernfähigkeit zu begreifen, was am Beispiel des Streits zwischen den Lebensformen der Kleinfamilie und der Kommune deutlich gemacht werden soll.

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Steffen K. Herrmann
Fernuniversität Hagen

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2019-10-08

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