Abstract
Geschlecht, Begehren und Sexualität sind traditionell stark umkämpfte politische Gegenstände. Das liegt nicht zuletzt daran, dass sich die binäre heterosexuelle Geschlechterordnung mit dem Schein des Natürlichen zu umgeben vermag: Nur zu gerne wird die Fiktion eines Urzustandes herangezogen, um zu argumentieren, dass das heterosexuelle Begehren eben deshalb naturgemäß ist, weil es der Reproduktion der Gattung diene und sich die natürlichen Geschlechterrollen wiederum ganz selbstverständlich aus diesen reproduktiven Bedingungen ableiten lassen. Im Zuge der politischen Kämpfe von Gleichheits-, Differenz-und Queerfeminismus um eine emanzipative Geschlechterordnung hat diese Fiktion und die mit ihr einhergehende Formel ‚Biologie ist Schicksal' heute vielerorts ihre Überzeugungskraft eingebüßt. Gleichwohl sind wir derzeit mit einer breiten politischen Bewegung konfrontiert, in der von konservativer, nationalistischer und religiöser Seite unter dem Label des ‚Anti-Genderismus' auf breiter Front Stellung gegen die theoretischen und politischen Errungenschaften des Feminismus und weiterer emanzipatorischer Bewegungen bezogen wird. Der Streitpunkt lässt sich dabei provisorisch auf folgende vereinfachte Formel zuspitzen: Während das politische Projekt des " Anti-Genderismus " auf eine Begrenzung von Geschlecht, Begehren und Sexualität zielt, setzen sich viele Akteur_innen aus den Gender Studies für die Entgrenzung von Geschlecht, Begehren und Sexualität ein. Auffällig ist nun, dass die Auseinandersetzung zwischen Anti-Genderismus und Gender Studies nicht mithilfe des zwanglosen Zwangs des besseren Arguments geführt wird. Ganz im Gegenteil: Statt mit kommunikativem Handeln wird die Auseinandersetzung vor allem von Seiten des Anti-Genderismus mit den Mitteln sprachlicher Gewalt betrieben. Es sind dabei vor allem die Mittel der Demütigung, der Kränkung und der Diffamierung, die dazu dienen, die politischen Opponent_innen zum Schweigen zu bringen und aus der politischen Arena auszuschließen. Bevor ich es mir im Folgenden zur Aufgabe mache, diese drei Formen der sprachlichen Gewalt genauer zu analysieren, möchte ich zeigen, dass der Einsatz sprachlicher Gewalt von Seiten des Anti-Genderismus nicht einfach auf einen allgemeinen Verfall der öffentlichen Debattenkultur zurückzuführen ist, sondern vielmehr symptomatischen Charakter hat. Die Position des Anti-Genderismus, so möchte ich nämlich zeigen, ist der Sache nach gar nicht dazu in der Lage, sich mit den Gender Studies in einen politischen Wettstreit zu begeben, da die Pluralität von Geschlecht, Begehren und Sexualität das nicht anerkennbare Andere des eigenen politischen Diskurses bildet. Die Diffamierung der Gender Studies mit den Mitteln der sprachlichen Gewalt, so meine These, ist daher nicht dem Verfall der öffentlichen Debattenkultur geschuldet, sondern vielmehr eine inhärente Konsequenz der Positionen des Anti-Genderismus selbst.