Ich weiß nicht, was soll es bedeuten? Schützenhilfe für Schlicks Verifikationsprinzip

In Fynn Ole Engler & Mathias Iven (eds.), Moritz Schlick: Die Rostocker Jahre und ihr Einfluss auf die Wiener Zeit. Schlickiana, Band 6. Leipzig, Deutschland: Leipziger Universitätsverlag. pp. 225-270 (2013)
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Abstract

Kein Hahn kräht mehr nach dem Verifikationsprinzip, das Moritz Schlick zusammen mit seinen Mitstreitern des Wiener Kreises verfochten hat. Seit einem halben Jahrhundert gilt das Prinzip als philosophisch erledigt; doch Totgesagte leben länger. Ich versuche, eine Fassung des Prinzips zu formulieren, die auch unter den Bedingungen der Nachkriegs-Philosophie verteidigt werden kann: Grob gesagt, muss jeder sinnvolle Satz im Prinzip empirisch (oder doch aposteriori) überprüft werden können, einerlei ob verifiziert oder falsifiziert, ob fallibel oder infallibel, ob direkt oder indirekt, ob deduktiv, abduktiv oder induktiv, ob durch Sinneswahrnehmung oder durch Selbstwahrnehmung. Je nach Situation verlangt das Prinzip die unterschiedlichsten Formulierungen; es wäre verfehlt, es ein für allemal zu fixieren. Vermutlich können wir es sogar auf Sätze ausdehnen, die sich apriori rechtfertigen lassen. Anhand einer Serie von Beispielen (die z.T. aus Schlicks Schriften stammen) demonstriere ich, welche guten Dienste das Prinzip leistet. Erstens dient es dazu, intellektuelle Hochstapelei aus dem Spiel zu werfen und von sinnvollen Aussagen zu unterscheiden. Nun gibt es Sätze, an deren Sinn wir nicht gern rütteln lassen wollen, selbst wenn zunächst nicht klar ist, wie sie sich überprüfen lassen sollen. Das legt einen zweiten Einsatz des Prinzips nahe: Wir sind in diesem Fall aufgerufen, mehr Mühe in den scheinbar unüberprüfbaren Satz zu investieren, ihn besser zu explizieren und dabei doch noch einen Weg zu seiner Überprüfung freizuschaufeln. Bei dieser Übung kann sich sogar unser Überprüfungsbegriff verändern (und damit auch der Gehalt des Verifikationsprinzips selbst). Insgesamt sollten wir den Überprüfungsbegriff so fassen, dass laut Prinzip nicht zuviele wichtige Sätze sinnlos erscheinen. In einer aufklärerischen Ethik des klaren Redens, Meinens und Fragens kommt es darauf an, die gegenläufigen Denkbewegungen auszutarieren, in die wir beim verifikationalistischen Philosophieren gezogen werden. Was das heißt, führe ich anhand vermeintlich sinnloser Sätze aus der Raum/Zeit-Philosophie vor. Am Ende des Aufsatzes bringe ich einige Beispiele ausgemachten Unsinns.

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Olaf L. Müller
Humboldt University, Berlin

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2022-04-25

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