Dissertation, Universität Hamburg (
1999)
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Abstract
Die gegenwärtig unter dem Titel ›Realismus‹ geführten Debatten in der Philosophie befinden sich nach allgemeiner Ansicht in einem Zustand größter Verwirrung, so daß es nützlich erscheint, ein wenig Ordnung in die theoretischen Optionen zu bringen bevor man für die eine oder andere Auffassung Partei ergreift. In der vorliegenden Arbeit wird dafür argumentiert, daß sich ein systematisch zusammenhängendes Zentrum dieser Debatten mit Hilfe des Begriffes der Referenz ordnen läßt. Nach der Analyse einiger klassischer Positionen soll ein Rahmen erstellt werden, innerhalb dessen die Positionen eingeordnet und die zentralen Probleme fruchtbar diskutiert werden können. Zu diesem Zwecke ist es erforderlich, für die Einordnung der Positionen theoretische Kriterien zu benennen, die sich an den Problemen orientieren von denen hier argumentiert wird, das sie zentral seien. Sehr knapp ausgedrückt wird hier die Auffassung vertreten, Realismus sei als metaphysische These aufzufassen, welche eine von menschlichen epistemischen und semantischen Möglichkeiten unabhängige Existenz behauptet; in den gegenwärtigen Debatten typischerweise die Existenz einer Art von Dingen, nicht die eines individuellen Gegenstandes. Diese metaphysische These wird jedoch in der gegenwärtigen Debatte mit semantischen Argumenten untermauert, bzw. angegriffen und jene semantischen Argumente wiederum verwenden epistemische Erwägungen – die Frage betreffend, was man wissen kann und was nicht.
Der Beginn der gegenwärtigen Realismusdebatten mit der soeben skizzierten zentralen Stellung semantischer Argumente ist, der hier vertretenen Auffassung zufolge, die Kritik am traditionellen Fregeschen Referenzbegriff durch Kripke und den frühen Putnam um 1970 (Kap. 2). Aus dieser neu zu bewertenden Kritik und der von den Autoren daraus entwickelten externalistischen realistischen Semantik für Artausdrücke läßt sich das erste Kriterium für eine Position in einer Realismusdebatte ableiten und klären (Kap. 3): Hält man die fragliche Art für eine natürliche Art und meint also, sie habe ihren ›Zusammenhalt‹ von Natur aus? Wenn ja, dann ist die fragliche Position eine realistische (das Kriterium ist dank des engen Zusammenhangs von Realismus und Externalismus sowohl hinreichend als auch notwendig). Hält man die Art nicht für eine natürliche Art, ist man Antirealist. Damit geht jeweils not- wendig eine bestimmte Semantik für den auf die Art referierenden Ausdruck einher. Es zeigt sich zugleich, daß es zwei Varianten des Realismus zu unterscheiden gilt, die hier als klassischer bzw. als moderater Realismus bezeichnet werden. Im folgenden (Kap. 4.1) wird argumentiert, daß der Begriff der Wahrheit nicht eigentlich der zentrale Punkt in den in Frage stehenden Realismusdebatten sein sollte, wie vielfach behauptet wurde, sondern seine Brisanz vielmehr aus zugrundeliegenden semantischen Fragen gewinnt die also in der weiteren Aufdeckung der Kriterien die zentrale Rolle spielen müssen. In der Analyse der Kritik an der in Kap. 3 entwickelten Position des ›klassischen Realismus‹ läßt sich ein zweites unterscheidendes Kriterium für Positionen in Realismusdebatten entwickeln: begriffliche Relativität. Nach der Ablehnung von Putnams Auffassungen zu diesem Thema, werden zwei Varianten vorgeschlagen, starke und schwache begriffliche Relativität (Kap. 4.2). Die Anwendung dieses Merkmals zwingt, so wird argumentiert, in einigen Fällen zu einer Kombination einer realistischen Auffassung von Arten als natürliche mit begrifflicher Relativität. Diese mittlere Position zwischen klassischem Realismus und Antirealismus wird als »moderater Realismus« bezeichnet. Der im ersten Kriterium verwendete Begriff der natürlichen Art, und damit die Optionen in den Debatten, wird schließlich mittels einer Dis- kussion des Phänomens der Vagheit noch weiter verdeutlicht (Kap. 4.3). Ab- schließend werden die drei Optionen zusammenfassend dargestellt und ein Versuch unternommen, ihre Fruchtbarkeit für diverse Realismusdebatten anzudeuten.