Abstract
Nach gängiger Auffassung nahm das Thema „Werte” in Carnaps Philosophie nur einen geringen Stellenwert ein. In dieser Arbeit soll gezeigt werden, daß diese Einschätzung der Korrektur bedarf: So wird der im „Aufbau“ vorgetragene Entwurf eines Konstitutionssystems mit Werten als der höchsten Schicht des Konstitutionssystems abgeschlossen. Auch die Quasianalyse als allgemeine Konstitutionsmethode steht in enger Beziehung zur Unterscheidung zwischen „Sein“ und „Gelten“, die für den werttheoretisch orientierten Neukantianismus der südwest-deutschen Schule charakteristisch war. Allgemein erlaubt die Wertthematik einen Blick auf Unterströmungen des carnapschen Denkens, die in den offiziellen logisch-empiristischen Darstellungen seines Denkens meist vernachlässigt werden. Die Wertthematik, so die These dieser Arbeit, eröffnet überdies eine neue Perspektive auf die spezifisch Jenaer Konstellation von Neukantianismus und Lebensphilosophie, die Carnaps Philosophie wesentlich geprägt hat