Abstract
Die eudaimonistische Tugendethik sieht sich, was ihre innere Struktur anbelangt, standardmäßig mit den Vorwürfen des Egoismus und Anthropozentrismus konfrontiert, was auch das Projekt einer ökologischen Tugendethik zu gefährden scheint. Der vorliegende Artikel versucht, ausgehend von der Tugendethik Erich Fromms, eine neue Perspektive auf diese Standardvorwürfe zu entwickeln, indem er den theoretischen Implikationen nachgeht, die die Anerkennung der Biophilie – der Liebe zum Leben – als eine der Tugenden des Menschen für den Frommschen Ansatz hat. Die zunächst noch exegetisch ausgerichtete Diskussion der werkinternen Relation von humanistischer und biophiler Ethik bei Erich Fromm leitet schließlich zu einer stärker systematisch ausgerichteten Diskussion der inneren Dynamik von selbst- und umweltbezogenen Tugenden im tugendhaften Akteur über. In diesem Zuge wird deutlich gemacht, dass das selbstbezogene Streben nach eigener Eudaimonie und das umweltbezogene Streben nach der Förderung des Objekts der eigenen Liebe zwar durchaus miteinander in einen Konflikt geraten können, dass dieser Konflikt aber nicht zur Selbstauslöschung der Tugendethik führt, sondern stattdessen im tugendhaften Akteur eine produktive Dynamik entfaltet. Die klassische Gegenüberstellung von Anthropozentrismus und Biozentrismus innerhalb der Ethik lässt sich auf diese Weise unterlaufen.