Abstract
In diesem Aufsatz argumentiere ich dafür, dass der kritische Vorrang der Musik gegenüber den anderen Künsten bei Theodor W. Adorno als Echo einer spezifischen, nicht immer expliziten Präsenz des Motivs des Bilderverbots in seiner Ästhetik verstanden werden kann. Dabei soll die Adorno’sche Reflexion zum bilderlosen Charakter der Musik allerdings nicht auf eine Variante der generell abfälligen Betrachtung des Bildes in der marxistischen Tradition oder der Ästhetik der absoluten Musik reduziert, auch nicht als eine bloße Verwendung des biblischen Motivs des Bilderverbots betrachtet werden. Dennoch sind all diese Elemente Teil jener spezifischen Konstellation, die sich im Laufe der Jahre in Adornos Werk entwickelt und verändert. Meine These lautet, dass das Motiv des Bilderverbots sich in verschiedenen Variationen in Adornos Ästhetik manifestiert, sodass nur eine Rekonstruktion dieser Variationen und der Verbindungen zwischen ihnen erklären kann, warum das Motiv selbst eine zentrale Bedeutung für Adornos Werk hat und welche Variation eventuell Vorrang gegenüber den anderen gewinnt. Mein Versuch besteht darin, die Entwicklung der Kritik Adornos an der Verräumlichung der Musik hin zur expliziteren Bezugnahme auf das Bilderverbot und auf die Betrachtung der Musik als „Bild des Bilderlosen“ nachzuvollziehen. Dafür werden sowohl die Kontinuitäten als auch die Veränderungen analysiert, die seine Überlegungen zwischen 1949 und 1963, d.h. zwischen der Veröffentlichung der Philosophie der Neuen Musik und seines Aufsatzes „Sakrales Fragment“ erfahren haben.