Das 'Sinnliche Scheinen der Idee' in der Natur

In Wolfgang Neuser & Pirmin Stekeler-Weithofer (eds.), Die Idee der Natur. Analyse, Ästhetik und Psychologie in Hegels Naturphilosophie. Königshausen & Neumann. pp. 229–239 (2022)
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Abstract

Ziel der Untersuchung ist zu zeigen, inwiefern Hegels Charakterisierung des Schönen als ‚das sinnliche Scheinen der Idee‘ auch für die Deutung des Naturschönen Erklärungswert hat. Vorausgesetzt ist die für den Idea- lismus Hegelscher Prägung zentrale Doktrin, derzufolge der Natur Ideel- les zugrunde liegt. Schön sind dann Naturphänomene, in denen jener ideelle Grund der Natur durchscheint. Das Erfassen von Ideellem scheint ein Privileg geistiger Wesen zu sein. Dem stehen evolutionsbiologische Argumente entgegen, die dem Schönen einen positiven Selektionswert, etwa bei der sexuellen Partnerwahl, zusprechen. Auch der Mensch hat stammesgeschichtliche Wurzeln, die in ihm weiter wirken. Doch sobald der Geist auf der evolutionären Bühne erscheint, herrscht das Biologische nicht länger mit der uneingeschränkten Macht, die es im Rahmen natürli- cher Selektion hat. Hegels Deutung des Schönen, auch des Naturschönen, ist wesentlich bezogen auf den Geist. Ich verdeutliche dies an einigen Exempeln (Schneekristall, musikalische Harmonie, Abendhimmel, Ge- birgslandschaft, organische Blüten- und Körperformen). Aber wodurch sind Naturschönheit und Kunstschönheit dann voneinander unterschie- den? Die Hervorbringungen der Natur sind lediglich Zufallskonstellatio- nen. Allerdings, so Hegel, hat der Zufall es ‘recht’ gemacht, d.h. hat er etwas reizend Stimmiges gefügt, gewahrt der Geist darin das im Sinnli- chen durchscheinende Ideelle. Eben darin wird, mit Adorno gesprochen, die gemeinsame Wurzel des Kunstschönen und des Naturschönen erkennbar. Wer das Naturschöne preist, begebe sich „an den Rand der Afterpoe- sie“, des Kitsches, meint Adorno. Gleichwohl sei es wahr zu sagen, „die Landschaft der Toscana sei schöner als die Umgebung von Gelsenkirchen“ (Adorno 1993, 110, 112). In der Tat. Doch was meinen wir, wenn wir Landschaften, Blumen, Sonnenuntergänge ‘schön’ nennen, und welche Kriterien bringen wir dafür in Anschlag? Im Folgenden möchte ich darle- gen, inwiefern Hegels Charakterisierung des Schönen als „das sinnliche Scheinen der Idee“ diesbezüglich erhellend und klärend ist. Hinweise auf Adornos ästhetische Theorie ergänzen diese Überlegungen. Dem stehen evolutionsbiologische Argumente entgegen, die zunehmend Einfluss auf die ästhetische Diskussion gewinnen.

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Dieter Wandschneider
Rwth Aachen University, Germany

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2023-11-17

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