Abstract
Theorien von Gerechtigkeit als einer ethischen Tugend spielen eine große Rolle in der protestantischen Ethik vor dem Dreißigjährigen Krieg. Eines der hervorstechenden Merkmale dieser Theorien ist ihr eklektischer Charakter: Sie verbinden Elemente aus verschiedenen Traditionen der antiken Tugendethik, vor allem der platonischen, aristotelischen und stoischen. Die Gerechtigkeitstheorien von protestantischen Philosophen wie Rudolph Goclenius, Clemens Timpler und Bartholomäus Keckermann illustrieren gut dokumentierte Merkmale des frühneuzeitlichen Eklektizismus wie die Rolle der Reinterpretation von ausgewählten Lehrstücken und die konziliatorische Strategie, scheinbare Widersprüche zwischen verschiedenen Traditionen aufzulösen. Darüber hinaus illustrieren sie aber auch ein weniger gut dokumentiertes Merkmal des frühneuzeitlichen Eklektizismus, nämlich seine Funktion als philosophische Problemlösungsstrategie. Dieser Artikel versucht zu zeigen, wie Goclenius, Timpler und Keckermann einerseits Elemente aus den platonischen (und stoischen) Traditionen nutzen, um diagnostizierte Probleme in der aristotelischen Tradition zu beheben und andererseits Elemente aus der aristotelischen Tradition verwenden, um Probleme in der platonischen Tradition zu lösen