Abstract
In der deutschen medizinethischen Debatte spielen Verweise auf Menschenbilder eine große Rolle. Dabei haben diese Verweise ganz unterschiedliche argumentative Funktionen: Bisweilen sollen mit Bezug auf ein Menschenbild direkt moralische Normen begründet werden, aber Verweise auf Menschenbilder können auch andere Funktionen haben. Problematisch erweist sich jedoch, dass der Verweis auf ein „Bild“ vom Menschen voraussetzt, dass in einem einzigen Bild alle Aspekte, die für das Verständnis des Menschen wesentlich sind, erfasst werden können und damit die Vermittlung zwischen deskriptiven und normativen Dimensionen als unproblematisch angesehen wird. Eine normative Begründungsfunktion des Menschenbildes ist jedoch aus verschiedenen moralphilosophischen Erwägungen heraus problematisch. Dagegen könnte eine Thematisierung eines umfassenden Verständnisses vom Menschen uns in der Tat helfen, metaphysische und ontologische Voraussetzungen moralischer Diskurse sichtbar und diskutierbar zu machen, die Bedingungen des menschlichen Handlungsraumes zu verstehen und das Moralische in einem weiteren Kontext praktischen Selbstverständnisses zu interpretieren. Die Mehrdimensionalität des Begriffs „Menschenbild“ lässt es fraglich erscheinen, ob der Begriff geeignet ist, medizinethische Fragen adäquat zu verstehen; zur Begründung von Handlungsnormen sind Menschenbilder eher ungeeignet