Abstract
Einer weit verbreiteten Auffassung zufolge ist es eine zentrale Aufgabe der Philosophie der Mathematik, eine ontologische Grundlegung der Mathematik zu formulieren: eine philosophische Theorie darüber, ob
mathematische Sätze wirklich wahr sind und ob mathematischen Gegenstände wirklich existieren. Der vorliegende Text entwickelt eine Sichtweise, der zufolge diese Auffassung auf einem Missverständnis beruht. Hierzu wird zunächst der Grundgedanke der Hilbert'schen axiomatischen Methode orgestellt, die Axiome als implizite Definitionen der in ihnen enthaltenen Begriffe zu behandeln. Anschließend wird in Anlehnung an einen Wittgenstein'schen Gedanken zur normativen Rolle mathematischer Sprache argumentiert, dass im Kontext der Hilbert'schen Axiomatik mathematische Sätze als Standards für die Verwendung der in ihnen enthaltenen Begriffe dienen und dass dies die Idee einer ontologischen Grundlegung für die Mathematik untergräbt.