Abstract
Natürlichkeitsargumente haben allgemein in der Bioethik und speziell in der Debatte um Enhancement und Anthropotechnik keinen guten Ruf. Neben dem formalen Vorwurf, einen naturalistischen Fehlschluss zu begehen, werden sie mit dem inhaltli-chen Einwand konfrontiert, eine falsche Auffassung von menschlicher Natur zugrunde zu legen: Recht verstanden definiere sich diese menschliche Natur nicht durch eine biologische Substanz, die durch biotechnische Eingriffe korrumpiert werden könnte, sondern durch kulturelle Vollzüge, zu denen gerade auch der Einsatz biotechnischer Verfahren zähle und die daher durch biotechnische Manipulationen am Menschen keineswegs beeinträchtigt, sondern eher noch bestätigt würden. Der vorliegende Beitrag unterzieht diese Argumentation einer kritischen Prüfung. Dabei zeigt sich, dass der Ansatz, den Menschen von seiner ‚Kultürlichkeit‘ statt von seiner ‚Natürlichkeit‘ her zu begreifen, tatsächlich keine glaubhafte Rechtfertigung von Anthropotechniken liefert, sondern im Gegenteil ein neues Argument gegen sie begründet: Anthropotechniken untergraben bei genauerem Hinsehen auch und gerade den Status des Menschen als Kulturwesen.