Fühlen oder Hinsehen? Ein Plädoyer für moralische Beobachtungssätze

In Verena Mayer & Sabine A. Döring (eds.), Die Moralität der Gefühle. Berlin, Deutschland: De Gruyter. pp. 175-196 (2002)
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Abstract

Nach Morton White können wir die holistische Quine/Duhem-These auf ethische Sätze genauso anwenden wie auf wissenschaftliche. Demzufolge mögen sich die meisten ethische Sätze zwar nicht einzeln testen lassen, wohl aber im Zusammenhang einer kompletten Theorie, die sowohl deskriptive als auch normative Sätze enthält. Ich diskutiere zwei Vorschläge dafür, wie dieser Vergleich durchbuchstabiert werden könnte. Laut Whites eigenem Vorschlag lassen sich einige normative Konsequenzen des Gesamtsystems durch Konfrontation mit den emotionalen Reaktionen des Sprechers testen. Laut meinem Vorschlag sind einige normative Konsequenzen des Systems bereits Beobachtungssätze in Quines Sinn und können genauso getestet werden wie naturwissenschaftliche Beobachtungssätze, nämlich durch Sinneserfahrung. Kurzum, es gibt moralische Beobachtungssätze. Quine bezeichnet diejenigen Sätze als Beobachtungssätze, die alle anwesenden Sprecher einer Gemeinschaft stets gleich beurteilen und die der einzelne Sprecher ausschließlich aufgrund momentaner Sinnesreizung bejaht oder verneint (also unabhängig von Hintergrund-Informationen). In Quines Argument gegen moralische Beobachtungssätze steckt folgender Fehler: Quine glaubt, dass sich moralische Fragen immer nur angesichts von Hintergrund-Informationen beurteilen lassen. Bei vielen moralischen Sätzen mag das so sein; aber es gibt Gegenbeispiele, in denen Hintergrund-Informationen ausgeschaltet sind, z.B. "Dies ist sichtbares Unrecht".

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Olaf L. Müller
Humboldt University, Berlin

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2015-04-02

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