Abstract
Was tun Philosophen eigentlich, wenn sie Philosophie treiben? Oder besser: Was sollten Philosophen tun, wenn sie Philosophie treiben? Diese Frage ist selbst eine philosophische. Und sie wird seit einigen Jahren wieder mit zunehmender Intensität diskutiert. Dafür ist vor allem eine neue philosophische Bewegung verantwortlich, die man als „experimentelle Philosophie“ oder kurz „ x-phi “ bezeichnet. Anhänger dieser Bewegung glauben, die Philosophie solle sich in Vorgehensweise und Methodik den empirischen Wissenschaften annähern und philosophischen Fragestellungen mithilfe empirischer Tests zu Leibe rücken. Diese Ansicht steht im krassen Widerspruch zur konventionellen Sichtweise, nach der die Philosophie eine empirieferne Disziplin ist, die von Philosophen im sprichwörtlichen Lehnstuhl betrieben werden kann. Entsprechend stießen die Thesen experimenteller Philosophen bei Vertretern der klassischen Sichtweise zunächst auf Stirnrunzeln und Unverständnis. Mittlerweile hat sich die experimentelle Philosophie jedoch zu einer reputierlichen Position entwickelt, der ganze Aufsatzbände gewidmet werden. Im Folgenden werden wir einen ihrer Teilbereiche betrachten, nämlich die „experimentelle Ethik“. Dazu werden wir zunächst die klassische Sichtweise von Ethik einführen, die das Bild einer autonomen, von empirischer Wissenschaft weitestgehend unabhängigen Ethik zeichnet. Danach werden wir die experimentell-ethische Sichtweise einführen, die mit dem traditionellen Bild bricht. Es soll uns lediglich darum gehen, die zentrale These der experimentellen Ethik, nach der empirisch-wissenschaftliche Fragen für ethische Grundsatzfragen relevant sind, zu verstehen und zu plausibilisieren. Wir werden zu diesem Zweck zwei Argumentationslinien betrachten, die deutlich machen, dass grundsätzliche ethische Fragen von empirisch-wissenschaftlichen Fragen abhängen können. Schließlich werden wir klären, welche Rolle der klassischen Lehnstuhl-Philosophie im Rahmen des experimentell-ethischen Paradigmas zukommt bzw. zukommen sollte