Abstract
Die Philosophie Ludwig Wittgensteins eignet sich in besonderer Weise als Diskus-sionsforum aktueller philosophischer Fragen. Dabei sei nicht nur an den mittlerweile in sprach- und sozialwissenschaftlichen Belangen ausgiebig zitierten Witt-genstein der Philosophischen Untersuchungen gedacht, sondern auch an jenen des Tractatus logico-philosophicus (Traktat), wo – was zu zeigen ist – eine Theorie der Sprache als selbstreferentielles System grundgelegt wird, die z.T Züge des sog. Radikalen Konstruktivismus aufweist und (mit Blick auf die Philosophischen Un-tersuchungen) das postmoderne Problembewußtsein der „Heterogenität der Sprachspiele“ ankündigt. Der Traktat zeigt, daß das „Projekt der Moderne“, Sprache und Wirklichkeit durch Rekurs auf ein universales Sprachsystem zu legitimieren, scheitert, von innen her scheitern muß Als unterstellt universales ist dieses Sprachsystem gegen äußere Einwände immun, es hätte die Allmacht zu definieren, was sinn- und wertvoll ist. Es verwickelt sich jedoch in interne Widersprüche, wenn es dies tut, d.h. wenn es das eigene System als universales zu explizieren und legitimieren versucht. Die Alternative, die der Traktat hinterläßt, ist: entweder zu schweigen oder die Annahme des universalen Sprachsystems fallen zu lassen. Im folgenden wird die argumentative Entwicklung nachgezeichnet vom Traktat bis zu den Philosophischen Untersuchungen, wo diese Annahme aufgegeben und eine neuartige Legitimationspraxis entworfen wird.