Abstract
In diesem Aufsatz argumentiere ich, dass die Standardauffassung von Propositionen und propositionalen Einstellungen inadäquat ist, ein Artefakt der gegenwärtig herrschenden theorielastigen Auffassung von Intentionalität, Sprache und Rationalität, und skizziere eine alternative Auffassung. Im folgenden Abschnitt belege ich erst einmal die These der Theorielastigkeit anhand einiger Beispiele vor allem aus der gegenwärtigen analytischen Philosophie. Der dritte Abschnitt erklärt, wie diese Theorielastigkeit im Standardverständnis von Propositionen und propositionalen Einstellungen verkörpert ist. Im vierten Abschnitt argumentiere ich, dass dieses Standardverständnis der Proposition zwei unvereinbare Rollen zuweist. Sie kann nicht sowohl einen Sachverhalt repräsentieren, der Gegenstand praktischer genauso wie theoretischer Stellungnahmen sein kann, als auch wie eine theoretische Stellungnahme Wahrheitswertträger sein. In den folgenden Abschnitten versuche ich eine partielle Diagnose, wie es zu dieser Auffassung kommen kann: gewisse Formen der Neutralisierung von Stellungnahmen durch das bloße „in den Raum stellen“ (fünfter Abschnitt), durch fiktionale Kontexte (sechster Abschnitt) und den Kontext logischer Verknüpfungen (der so genannte „Frege-Punkt“; siebter Abschnitt) werden verwechselt mit der Neutralität zwischen dem Praktischen und Theoretischen, zwischen Wollen und Wahrheit, die die Standardauffassung erfordern würde. Der achte Abschnitt skizziert in groben Umrissen ein alternatives Bild. Demnach wird eine Repräsentation eines Sachverhalts erst durch die dazu kommende theoretische oder praktische Position zu einer Stellungnahme und damit zum Träger eines Erfüllungswerts. Die Bereiche des Praktischen und des Theoretischen sind parallel strukturiert und unterschieden sich im Wesentlichen nur durch die Verschiedenheit der Passrichtungen. Grundlegende rationale Operationen wie Deduktion, Abduktion und Induktion können auf praktischen Stellungnahmen genauso ausgeführt werden wie auf theoretischen. Im neunten Abschnitt verorte ich die tieferen Wurzeln der Theorielastigkeit in dem Verlangen, das Praktische an die dem Theoretischen eigene Form der Objektivität zu assimilieren. Dieses Verlangen muss aber fruchtlos bleiben, und die dem Praktischen eigene Form der Objektivität wird so verfehlt. Der letzte Abschnitt deutet an, wie sich Werturteile in dem skizzierten Rahmen deuten lassen.