Berlin: Parerga (
2008)
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Abstract
Wittgenstein hat – abgesehen von einem einzigen Vortrag – keine gesonderte und zusammenhängende Bearbeitung des Themas Ethik vorgenommen. Gleichwohl sagt er von seinem Tractatus logico-philosophicus, dass dessen Sinn ein ethischer sei. Im Anschluss an diese Behauptung stellt sich einerseits die Frage, welche Vorstellung Wittgenstein von Ethik gehabt, und andererseits, ob sich diese Vorstellung im Laufe der Zeit verändert hat, da sich in den Spätschriften schließlich nur sehr wenige ethische Bemerkungen finden. Diese Arbeit versucht, auf beide Fragen Antworten zu geben. Zunächst wird gezeigt, dass Wittgensteins Vorstellung von Ethik über die Jahre seiner Arbeit dieselbe geblieben ist. Bedingt durch eine Veränderung in seiner philosophischen Methode war es in der Spätphilosophie lediglich nicht mehr erforderlich, gesondert auf das Thema Ethik einzugehen. Es ergibt sich sozusagen direkt aus der Konzeption. Ethik gehört in Form ethischer Sätze zur Mythologie und damit zu den notwendig vorauszusetzenden und nicht beweisbaren Grundlagen der Sprache. Aufgrund der Verwobenheit von Handeln und Sprechen findet diese ethische Mythologie ihren Ausdruck in der Haltung, die ein Sprachspielender gegenüber der Welt einnimmt. Ethik ist demnach keine abstrakte Theorie, sondern vielmehr eine höchst konkrete Praxis: Sie umfasst die Akte des ethischen Billigens und Missbilligens in einer Gemeinschaft von Sprachspielenden. Ethische Theorie im herkömmlichen Sinne listet die ethischen Sätze auf und zeigt, was in einer bestimmten Lebensweise als Ethik gilt, mithin welche Sätze als ethisch aufgefasst werden. Dies ist die Voraussetzung, um einzelne Sätze gezielt zu befördern oder zu behindern und dadurch Einfluss auf die Ethik zu nehmen.
Unter Berücksichtigung aller Schriften Wittgensteins gelingt es dieser Arbeit erstmals, eine konsistente Konzeption von Ethik zu entwickeln, die aus dessen Philosophie folgt. Damit ist zugleich gezeigt, dass sein Interesse an Ethik nie abgenommen hat.