Abstract
Bei den korpuskulartheoretischen Erklärungen von Naturphänomenen, wie sie Descartes in den Principia philosophiae vornimmt und im Discours de la methode anspricht, lassen sich zwei verschiedene und nur teilweise miteinander vereinbare Bedeutungsgruppen des Hypothesenbegriffs nachweisen. Sie verbinden sich mit unterschiedlichen Bewertungen des Status von Hypothesen im wissenschaftlichen Erkenntnisprozeß. Einerseits findet man eine Verwandtschaft zum heute wissenschaftstheoretisch verbreiteten Verständnis von Hypothesen als positivem und integralem Bestandteil der Naturerkenntnis. Typischer für Descartes' Naturphilosophie ist jedoch die andererseits von ihm vertretene Vorstellung, daß der Umfang des bloß hypothetischen Wissens im Fortgang der Naturerkenntnis zu minimieren sei. Mit dieser Forderung erweist sich Descartes als Vertreter einer neuzeitlichen Wissenschaftsauffassung, die deutlich vom modernen Verzicht auf ein ausschließlich geltendes System der Naturerkenntnis abgehoben ist.