Abstract
Das Verhältnis von Geschichts- und Naturwissenschaft ist zwischen 1880
und 1945 - dem hier zu betrachtenden Zeitraum - durch einen Differenzierungsprozeß bestimmt, in dem sich die Geschichtswissenschaft gegenüber dem verstärkten Einfuß der naturwissenschaflichen Methode auf die Erfahrungswissenschaften abzugrenzen versucht und die Naturwissenschaft von der Historizität ihrer eigenen Erkennmisse zunehmend absieht. Diese allgemeine Tendenz setzt sich jedoch bei weitem nicht ungebrochen durch. Sie ist in eine komplexe Struktur von thematischen
und interdisziplinären Beziehungen eingelassen, in der zahlreiche gegenläufige, kaum einheitlich zu charakterisierende Bewegungen wirksam sind. Will man sich einen Überblick über diese verwickelten Verhältnisse
verschaffen, empfiehlt es sich, von einem vereinfachenden Schema auszugehen und zwischen vier disziplinären Kontexten zu unterscheiden:der Geschichtswissenschaft, dem naturalistischen Geschichtsdenken, der
Naturwissenschaft und der Wissenschaftsgeschichtsschreibung der Naturwissenschaft. Entlang dieser Einteilung möchte ich thesenartig auf Aspekte der wissenschaftlichen Thematislerung von Natur und Geschichte eingehen, die mir für die geschichtstheoretischen Diskurse besonders relevant zu sein scheinen.