In der sozialphilosophischen Debatte um Freiheit bei Foucault wird das ‚Freiheitsproblem‘ verhandelt: Wie können Freiheit und Widerstand innerhalb von Foucaults Theorie der Macht und Subjektivierung konzipiert werden? Die Arbeit unterscheidet systematisch vier verschiedene Interpretationsstrategien von Foucaults Werk, die es als kohärente sozialphilosophische Theorie konstruieren und dabei das Freiheitsproblem lösen sollen; sie rekonstruiert die Arbeiten von exemplarischen Vertreter_innen dieser Strategien: 1. Foucault ist kohärent (Paul Patton), 2. Foucault korrigiert sich (Thomas Lemke), 3. Foucault kritisiert kohärent (Martin Saar), 4. Foucault ist nicht (...) genug (Amy Allen). Das erste Ziel der Arbeit ist, die Debatte und die in ihr verhandelten Probleme und Begriffe durch die systematische Rekonstruktion zu differenzieren und klarer zu fassen. Dafür werden einige neue systematische Unterscheidungen entwickelt: u.a. das Freiheitsproblem der Machtdetermination im Gegensatz zum Freiheitproblem der Subjektivierung, Freiheit als Anders-handeln-Können im Gegensatz zu Freiheit als Kritik, verschiedene Modalitäten dieser Freiheitsbegriffe und eine Foucault-Lesart der Regierungstranszendenz im Gegensatz zu einer Lesart der radikalen Immanenz. Das zweite Ziel der Arbeit ist die Entwicklung einer neuen These zur Freiheit im Rahmen einer Subjektivierungstheorie durch die interne Kritik der vier Interpretationsstrategien auf Grundlage der dort entwickelten Differenzierungen. Freiheit als die Fähigkeit zur reflexiven Kritik der eigenen Subjektivierung ‒ kurz: Freiheit als Kritik ‒ kann verstanden werden als das Resultat von freiheitlicher Subjektivierung, deren gesellschaftlicher Ort politische Institutionen sind, die im Rahmen einer postfundamentalen, pluralen und liberalen politischen Theorie bestimmt werden können. Drittens verfolgt die Arbeit das Ziel, durch den Begriff der Freiheit als Kritik die allgemeine sozialphilosophische Debatte um Freiheitsbegriffe zu erweitern und ihn als einen Kandidaten neben der negativen, reflexiven und sozialen Freiheit zu präsentieren, der einerseits plausible Einsichten dieser drei Ansätze aufnimmt und andererseits ihre blinden Flecken korrigiert. (shrink)
Foucault's theory of power and subjectification challenges common concepts of freedom in social philosophy and expands them through the concept of 'freedom as critique': Freedom can be defined as the capability to critically reflect one's own subjectification, and the conditions of possibility for this critical capacity lie in political and social institutions. The article develops this concept through a critical discussion of the standard response by Foucault interpreters to the standard objection that Foucault's thinking obscures freedom. The standard response interprets (...) Fou-cault's later works, especially The Subject and Power, as a solution to the problem of freedom. It is mistaken, because it conflates different concepts of freedom that are present in Foucault's work. By differentiating these concepts, this paper proposes a new institutionalist approach to solve the problem of freedom that breaks with the partly anarchist underpinnings of Foucault scholarship: As freedom as critique is not given, but itself a result of subjectification, it entails a demand for 'modal robustness' and must therefore be institutionalized. This approach helps to draw out the consequences of Foucault's thinking on freedom for postfoundationalist democratic theory and the general social-philosophical discussion on freedom. (shrink)
Wie können Freiheit und Widerstand innerhalb von Foucaults Theorie der Macht und Subjektivierung konzipiert werden? Karsten Schubert liefert die erste systematische Rekonstruktion der sozialphilosophischen Debatte um Freiheit bei Foucault und eine neue Lösung für das Freiheitsproblem: Freiheit als die Fähigkeit zur reflexiven Kritik der eigenen Subjektivierung – kurz: Freiheit als Kritik – ist das Resultat von freiheitlicher Subjektivierung in politischen Institutionen. Der Band zeigt so die Konsequenzen von Foucaults Freiheitsdenken für die Demokratietheorie und die allgemeine sozialphilosophische Freiheitsdiskussion auf.
We live in very Foucauldian times, as the many think-pieces published on biopolitics and COVID-19 show. Yet what is remarkable—biopolitically—about the current situation has gone largely unnoticed: We are witnessing a new form of biopolitics today that could be termed populist biopolitics. Awareness of this populist biopolitics helps illuminate what is needed today: democratic biopolitics.
We live in very Foucauldian times, as the many think-pieces published on biopolitics and COVID-19 show. Yet what is remarkable—biopolitically—about the current situation has gone largely unnoticed: We are witnessing a new form of biopolitics today that could be termed populist biopolitics. Awareness of this populist biopolitics helps illuminate what is needed today: democratic biopolitics.
Associação Nacional de Pós-Graduação em Filosofia - ANPOF. Um dos problemas mais duradouros na discussão sobre Foucault tem sido o problema da liberdade. Mais precisamente, a questão é a seguinte: como a liberdade e a resistência podem ser pensadas e explicadas em uma teoria do poder e da subjetivação? Abordarei esse problema não falando sobre o próprio Foucault, oferecendo uma nova interpretação dos seus escritos, por exemplo. Em vez disso, sustento que o problema pode ser abordado apenas nos detendo sobre (...) o debate sócio-filosófico desencadeado por suas obras. O problema da liberdade não tem origem em Foucault, mas foi antes articulado nas discussões de sua obra por teóricos da política. Essas interpretações, mediante a construção do problema, vão além da mera exegese. São obras filosóficas elas mesmas complexas e enquanto tais são o principal objeto da minha análise. (shrink)
Die Veröffentlichung von Foucaults viertem Band der Geschichte der Sexualität, Die Geständnisse des Fleisches, wurde von der Foucault-Community und der interessierten Öffentlichkeit gespannt erwartet. Vom lange unter Verschluss gehaltenen Band erhofft sich die Leser_innenschaft neue Erkenntnisse nicht nur zum Thema des Buches – die Reflexionen der Kirchenväter bis Augustinus zu Sexualität und Lebensführung –, sondern zu Foucaults Werk im Allgemeinen und den großen Fragen nach Macht, Freiheit und Kritik, die dessen Rezeption bestimmen. Und tatsächlich bietet der Band überraschend neue Einsichten, (...) in deren Lichte sich die herrschende Meinung zu Foucaults Freiheits- und Kritikbegriff als falsch herausstellt. Heute ist die These verbreitet, dass Foucaults Arbeiten zur antiken Ethik und parrhesia als Beitrag zu einem normativen Freiheitsbegriff gewertet werden können. Dagegen zeigt Die Geständnisse des Fleisches, dass die für Foucault und unsere Gegenwart relevante Freiheit, die Fähigkeit zur reflexiven Selbst- und Machtkritik, ihren Ursprung in den Subjektivierungen des frühen Christentums hat, das Subjektivität zum ersten Mal an kritische Machtreflexion koppelt. Rezensionsessay zu Michel Foucault: Die Geständnisse des Fleisches. Sexualität und Wahrheit 4. Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2019. (shrink)
Die Veröffentlichung von Foucaults viertem Band der Geschichte der Sexualität, Die Geständnisse des Fleisches, wurde von der Foucault-Community und der interessierten Öffentlichkeit gespannt erwartet. Vom lange unter Verschluss gehaltenen Band erhofft sich die Leser_innenschaft neue Erkenntnisse nicht nur zum Thema des Buches – die Reflexionen der Kirchenväter bis Augustinus zu Sexualität und Lebensführung –, sondern zu Foucaults Werk im Allgemeinen und den großen Fragen nach Macht, Freiheit und Kritik, die dessen Rezeption bestimmen. Und tatsächlich bietet der Band überraschend neue Einsichten, (...) in deren Lichte sich die herrschende Meinung zu Foucaults Freiheits- und Kritikbegriff als falsch herausstellt. Heute ist die These verbreitet, dass Foucaults Arbeiten zur antiken Ethik und parrhesia als Beitrag zu einem normativen Freiheitsbegriff gewertet werden können. Dagegen zeigt Die Geständnisse des Fleisches, dass die für Foucault und unsere Gegenwart relevante Freiheit, die Fähigkeit zur reflexiven Selbst- und Machtkritik, ihren Ursprung in den Subjektivierungen des frühen Christentums hat, das Subjektivität zum ersten Mal an kritische Machtreflexion koppelt. (shrink)
Vor wenigen Tagen hat das Hamburger Kabarett-Theater Schmidts Tivoli die Zusammenarbeit mit dem Komiker Kay Ray beendet, offenbar weil rassistische Witze in der Show einen zentralen Platz einnehmen. Kurz nach der Cancel-Affäre zwischen Lisa Eckhart und dem Hamburger Nochtspeicher sieht sich nun auch Ray als Opfer von „Cancel Culture“, die die Kunstfreiheit immer weiter einschränke. Um die Kunst und Kunstfreiheit geht es dabei aber eigentlich gar nicht. Sie ist nur der Austragungsort gesellschaftspolitischer Auseinandersetzungen um Sexismus, Rassismus und Transphobie. Dabei sind (...) Kunstfreiheit und Meinungsfreiheit zentrale Argumente – oder besser: Waffen – des konservativen politischen Projekts geworden, mit dem emanzipative Änderungen abgewehrt werden (s. auch Schubert, in: Leviathan, 48 (1), S. 29–51). Dieser machtpolitische Missbrauch muss klar von der grundrechtlichen Dimension unterschieden werden. Dafür ist zwischen drei Ebenen Kunstfreiheit zu differenzieren: im nichtstaatlichen, parastaatlichen und staatlichen Bereich. Die Neuregelungen von Diskurs, Kultur und Kunst durch „Politische Korrektheit“, „Cancel Culture“ oder „Identitätspolitik“ bedeuten nicht den Zerfall der Demokratie, sondern sind ein Schritt in Richtung ihrer vollständigeren Realisierung. (shrink)
Die Debatte um die politische Differenz stellt Kontingenz und Konfliktualität als fundamentale Eigenschaften des Politischen heraus. Dies stellt die postfundamentalistische Demokratietheorie, die auf Augenhöhe mit dieser Debatte argumentieren will, vor ein Problem: Durch die Kontingentsetzung aller normativen Begründungen ist zunächst unklar, welche Art von demokratischen Institutionen wie begründet werden kann, und sogar, ob es überhaupt eine von der postfundamentalistischen Sozialontologie ausgehend argumentierende normative Begründung für demokratische Institutionen geben kann. Meine These ist, dass Freiheit, verstanden als kontinuierliche selbstreflexive Kritik, derjenige normative (...) Begriff ist, der sich aus der Sozialontologie von Konflikt und Kontingenz herleiten lässt. Anders gesagt: Freiheit als Kritik ist derjenige Universalismus, der sich aus der Ontologie des Partikularismus ableitet. Freiheit als Kritik kann dabei einerseits das Operieren einiger Institutionen in liberal-pluralistischen Demokratien beschreiben, und andererseits als normativer Kritikbegriff für die Analyse ihrer Dysfunktionalität dienen. Um diese These zu begründen, gehe ich zurück zu einem Theoretiker, der eine Grundlage der aktuellen Debatte um das Politische bildet: Foucault, dessen Machttheorie als Ansatz einer Sozialontologie der Kontingenz und Konfliktualität gelten kann. Gleichzeitig hat Foucault den Begriff der Freiheit als den zu dieser Ontologie passenden normativen Begriff herausgestellt. Durch eine Rekonstruktion und Kritik der sozialphilosophischen Debatte um Freiheit in Foucaults Werk lässt sich der Begriff der Freiheit als Kritik systematisch bestimmen. So kann – mit Foucault gegen Foucault – gezeigt werden, dass er nur innerhalb einer pluralistischen und liberalen Demokratietheorie gedacht werden kann. (shrink)
Wie können Freiheit und Widerstand innerhalb von Foucaults Theorie der Macht und Subjektivierung konzipiert werden? Karsten Schubert liefert die erste systematische Rekonstruktion der sozialphilosophischen Debatte um Freiheit bei Foucault und eine neue Lösung für das Freiheitsproblem: Freiheit als die Fähigkeit zur reflexiven Kritik der eigenen Subjektivierung – kurz: Freiheit als Kritik – ist das Resultat von freiheitlicher Subjektivierung in politischen Institutionen. Der Band zeigt so die Konsequenzen von Foucaults Freiheitsdenken für die Demokratietheorie und die allgemeine sozialphilosophische Freiheitsdiskussion auf.
In der Debatte um Freiheit bei Foucault wird das „Freiheitsproblem“ verhandelt: Wie können Freiheit und Widerstand innerhalb von Foucaults Theorie der Macht und Subjektivierung konzipiert werden? Der Aufsatz leistet eine Rekonstruktion und interne Kritik der besten Interpretationsstrategien von Foucaults Werk, die die Lösung dieses Problems zum Ziel haben, und entwickelt dabei eine neue These: Freiheit als Fähigkeit zur reflexiven Kritik der eigenen Subjektivierung ist abhängig von freiheitlicher Subjektivierung durch politische Institutionen. Die Interpretationsstrategien werden systematisch unterschieden und anhand der Arbeiten exemplarischer (...) Vertreter_innen diskutiert: 1. Foucault ist kohärent, 2. Foucault korrigiert sich, 3. Foucault kritisiert kohärent, 4. Foucault ist nicht genug. Gegen Lemke wird argumentiert, dass Freiheit nicht durch eine anarchistische, sondern nur durch eine institutionalistische Foucault-Lesart bestimmt werden kann. Mit Saar wird gezeigt, dass das Ziel einer eindeutigen Definition von Freiheit im Gegensatz zur Methode der genealogischen Kritik steht und nur im Rahmen der normativen politischen Theorie verfolgt werden kann. In Auseinandersetzung mit Allen wird argumentiert, dass Freiheit nicht in linken Bewegungen verortet werden kann, sondern nur in demokratischen Institutionen. (shrink)
Wie können Freiheit und Widerstand innerhalb von Foucaults Theorie der Macht und Subjektivierung konzipiert werden? Diese zentrale Frage der Interpretation von Foucaults vielschichtigem Werk wurde breit diskutiert und dennoch nicht befriedigend beantwortet. Dass bis heute kaum Klarheit über den Status von Freiheit in Foucaults Werk erreicht werden konnte, liegt auch daran, dass die gängigen Interpretationen die verschiedenen Freiheitsbegriffe, die in Foucaults Werk zu finden sind, vermischen. Der Artikel bringt deshalb Ordnung in diese unübersichtliche Lage, indem er die verschiedenen Freiheitsbegriffe und (...) Freiheitsprobleme in Foucaults Werk differenziert. Dies ermöglicht ein besseres Verständnis von Foucaults Freiheitsdenken und Machttheorie und führt zu einem neuen Freiheitsbegriff: Freiheit als die Fähigkeit zur kritischen Reflexion der eigenen Subjektivierung. Weil diese "Freiheit als Kritik" nur durch politische Institutionen ermöglicht werden kann, produziert dieser Freiheitsbegriff neue Anschlüsse von Foucaults Denken an die normative politische Theorie und postfundamentalistische Demokratietheorie. How can freedom and resistance be conceived within Foucault's theory of power and subjectivation? This central question of the interpretation of Foucault's multi-layered work has been widely discussed and yet not satisfactorily answered. The fact that until today there has been little clarity about the status of freedom in Foucault's work is also due to the fact that the current interpretations confuse the various concepts of freedom which can be found in Foucault's work. The article therefore brings order to this confusing situation by differentiating the various concepts and problems of freedom in Foucault's work. This enables a better understanding of Foucault's thinking of freedom and his theory of power and leads to a new concept of freedom: freedom as the capability to critically reflect on one's own subjectivation. Because this "freedom as critique" can only be made possible by political institutions, this concept of freedom produces new connections from Foucault's thinking to normative political theory and post-fundamentalist democratic theory. (shrink)
Wie Herrschaft kritisieren, wenn Kategorien wie Staat, Souveränität und Demokratie nicht mehr funktionieren? Der Regimebegriff verspricht einen Ausweg aus diesem praktischen wie theoretischen Dilemma. Er soll nicht nur helfen, Macht und Herrschaft besser zu verstehen, sondern auch eine neue Grundlage für tiefere und radikalere Gesellschaftskritik bieten: Das Denken in Regimen bezieht Denk- und Wahrnehmungsmuster in die Analyse und Kritik von gesellschaftlichen Strukturen, (politischer) Macht und alltäglichen Normen und Praxen ein. Kurz: Regimeanalysen helfen uns zu sehen, was sonst unsichtbar bliebe, wie (...) etwa die rassistische Regulierung von Migration, die Normierung von Geschlechterverhältnissen oder die Neoliberalisierung von Universitäten. Es wundert nicht, dass ein Begriff, mit dem solch verschiedene Phänomene beschrieben werden können, »sehr weitläufig und oft ungenau und spekulativ« ist. Die AutorInnen aus dem Umfeld der Wiener Akademie der Künste führen deshalb in ihren Buchbeiträgen zunächst in die unterschiedlichen Regimebegriffe ein und möchten untersuchen, »welchen diskursiven und politischen Gewinn er verspricht und tatsächlich bringt.«. (shrink)
In der postmarxistischen politischen Philosophie wird die Veränderung gegenüber der Verstetigung analytisch und normativ bevorzugt. Deshalbleistet die postmarxistische Theorie keine realistische Analyse und normativ-differenzierende Bewertung von politischen Institutionen, insbesondere des Rechts. Der Beitrag liefert einen Ansatz, um diese Lücke zu schließen, indem er der Abblendung von institutionellen Fragen mit einer neuen postfundamentalistischen Institutionentheorie begegnet. Diese Theorie basiert auf dem Freiheitsbegriff der Kritik, der im Anschluss an Foucault entwickelt wird und zeigt, dass kritischer Subjektivität durch die Institutionalisierung von freiheitlichen Subjektivierungsregimen bedingt (...) ist. Dieser Freiheitsbegriff korrigiert den avanciertesten Ansatz der postmarxistischen Rechtstheorie, Menkes Rechtskritik. Deren Stärke ist es,die liberal entpolitisierende Subjektivierung des Rechts zu kritisieren, doch Menkes Vorschlag einer radikalen Politisierung ist paternalistisch. Mit Foucault lässt sich hingegen ein Recht denken, das Subjektivierung kritisiert und dennoch nicht paternalistisch ist, weil es die Subjekte zur Kritik der Institutionen befähigt. (shrink)
Menschenrechtsverletzungen aufgrund sexueller Orientierung und Geschlechtsidentität (SOGI) wurden auf internationaler Ebene lange Zeit kaum zur Kenntnis genommen. Doch seit einigen Jahren wird dem Thema in den Vereinten Nationen breiterer Raum eingeräumt. Die Yogyakarta-Prinzipien und eine Studie des Amtes des Hohen Kommissars für Menschenrechte stellen nur die ersten Schritte auf dem Weg zu einem umfassenderen Schutzansatz dar. Er muss gegen den Widerstand vieler Staaten weiterverfolgt werden.
PrEP (Präexpositionsprophylaxe) ist ein relativ neues Mittel zur Prävention von HIV-Infektionen. HIV-negative Menschen nehmen antivirale Medikamente ein, die verhindern, dass der Kontakt mit dem Virus zu einer Infektion führt. Im Gegensatz zum Kondomgebrauch basiert dieses Präventionsverfahren auf Medikamenten und nicht auf einer Verhaltensänderung. Aus der Perspektive der Biopolitik fügt sie sich in einen größeren Trend in Richtung Medikalisierung, des Anstiegs der Macht der Pharmaindustrie und der Reglementierung des Risikos ein. Sexuelles Verhalten ist das Ergebnis der Subjektivierung, des Prozesses, durch den (...) soziale Normen Subjekte und ihre Wünsche bilden. Die Medikalisierung von schwulem Sex durch PrEP verändert die sexuelle Subjektivierung und geht daher mit einer Veränderung der Praktiken von schwulem Sex einher. Nach einer kurzen Erläuterung der medizinischen Besonderheiten und der Geschichte von PrEP (1) vereint dieser Artikel eine Rekonstruktion zeitgenössischer theoretischer Ansätze zur Biopolitik im Zusammenhang mit PrEP (2) mit einer Darstellung aktueller politischer Debatten um PrEP (3). Die Untersuchung zeigt, dass sich Gouvernementalitätsstudien und die Italienische Theorie auf repressive Machtverhältnisse konzentrieren und daher die Komplexität der Debatte nicht berücksichtigen können, die sich aus der Subjektivität und Handlungsfähigkeit verschiedener beteiligter Akteure, insbesondere schwuler PrEP-Aktivisten, ergibt. Dennoch werden Interpretationen von PrEP als repressiver Macht auch von einigen Akteuren in der politischen Debatte um PrEP genutzt, meist ohne ausdrücklichen Bezug zur biopolitischen Theorie. Nikolas Roses und Paul Rabinows differenziertes Konzept der Biopolitik bietet einige Ansätze wie diejenigen der biopolitischen Bürgerschaft und der somatischen Ethik, um die Debatte um PrEP und die damit verbundenen komplexen Verhandlungen über Sexualität zu beschreiben. Ausgehend von diesen Ideen entwickle ich ein neues Konzept der ‚demokratischen Biopolitik‘ von PrEP, die eine weitere Demokratisierung der Sexualität im biopolitischen Zeitalter ermöglicht. (shrink)
Right-wing intellectuals often invoke Nietzsche's concept of slave morality to underpin their criticism of 'political correctness' ('PC'). This interconnection of Nietzsche's slave morality and 'PC' criticism is correct, as a systematic analysis of their common elements shows, which leads to a new description of 'PC' criticism as a defense of privilege. In contrast to the right-wing Nietzschean 'PC' critique, the left-wing Nietzschean concept of a privilege-critical ‘political judgement' understands politics as a struggle for power, in which the space of the (...) political and related discourses are always already regulated and determine the conditions under which resources and privileges are distributed. Therefore, it is appropriate for an emancipatory position to critically question the established norms and to support political projects that aim to rewrite them. Because 'PC', as emancipative political judgement, dismantles privileges, its restricting of the privileged is not a side effect to be avoided but one of its reasonable core effects. Left-wing Nietzscheanism helps to avoid being surprised by right-wing aggression and to counter it vigorously by setting strict political norms. (shrink)
The article develops the concept of "political judgement" - a new, affirmative understanding of the phenomena which are criticized as "political correctness" by both right-wing and liberal commentators. To that end, it takes the right's claims, that "political correctness" is slave morality in Nietzsche's sense seriously and proposes a systematic reading of a right-nietzschean position. Connecting current "political-correctness"-critique and Nietzsche in this way allows for a deeper understanding of the right-wing rationality and the affective energy underlying the critique. Through contrasting (...) this right-nietzschean reading with its systematic opposite, a left-nietzschean position, the article shows that the essence of politics is to redesign norms which distribute privilege. What is critically labelled "political correctness" is, thus, better captured by the notion of "political judgment", because - given an interest in emancipation - such politics should not be demonized when they limit the freedom provided by undeserved privileges. (shrink)
Right-wing intellectuals often invoke Nietzsche's concept of slave morality to underpin their criticism of 'political correctness' ('PC'). This interconnection of Nietzsche's slave morality and 'PC' criticism is correct, as a systematic analysis of their common elements shows, which leads to a new description of 'PC' criticism as a defense of privilege. In contrast to the right-wing Nietzschean 'PC' critique, the left-wing Nietzschean concept of a privilege-critical ‘political judgement' understands politics as a struggle for power, in which the space of the (...) political and related discourses are always already regulated and determine the conditions under which resources and privileges are distributed. Therefore, it is appropriate for an emancipatory position to critically question the established norms and to support political projects that aim to rewrite them. Because 'PC', as emancipative political judgement, dismantles privileges, its restricting of the privileged is not a side effect to be avoided but one of its reasonable core effects. Left-wing Nietzscheanism helps to avoid being surprised by right-wing aggression and to counter it vigorously by setting strict political norms. (shrink)
Foucault bildet eine zentrale Grundlage der queeren und schwulen Theorie, die sich seit den späten 1980er Jahren insbesondere in den USA entwickelt hat. Seine Macht- und Subjekttheorie ist die Basis für eine nicht- essentialistische Analyse von Sexualität und für die Kritik ihrer normierenden Wirkung, die Foucault selbst in Der Wille zum Wissen (1983, frz. 1976) begonnen hat und die das Kerngeschäft der Queertheorie ist. Während Foucault als Grundlage der Queertheorie insgesamt rezipiert wird, gibt es eine spezifisch schwule Rezeption von Foucault, (...) die an seine vielfältigen Äußerungen zur schwulen Politik anschließt und dessen Machtanalyse und seine späteren Arbeiten zur Ästhetik der Existenz mobilisiert, um damit das schwule Leben vor, während und nach der AIDS-Krise zu analysieren. (shrink)
Wir - als Queers - sollten uns schämen. Denn Scham ist, so verspricht „Gay Shame“, ein Weg zu einer neuen Radikalisierung von queerer Kritik. Gay Shame ist der wörtliche Gegensatz zu Gay Pride und kritisiert, dass der stolze Mainstream der LGBT-Community in den letzten Jahren immer angepasster, bürgerlicher, kapitalistischer und homonormativer geworden ist. Stolz ist man vor allem darauf, endlich dazuzugehören und mitheiraten oder mitkämpfen zu dürfen. Was Scham ist und welche queerpolitische Bedeutung sie hat wird in dem Sammelband von (...) Akademiker_innen, Aktivist_innen und Künstler_innen diskutiert. Sie öffnen den Blick für „beschämende“ Aspekte des queeren Lebens, die in der LSBT-Forschung weitgehend verdrängt wurden, um bestehende homophobe Ideen und Klischees nicht noch zu bestärken. Im Mittelpunkt steht der Versuch, neue und auf Scham basierende queere Gruppenidentitäten zu denken, die nicht-normalisierend wirken, also nicht Menschen bestimmte moralische Konzepte und Ideen aufdrängen und diejenigen ausschließen, die davon abweichen. (shrink)
Was hat der Staat mit sexueller Orientierung zu tun? Eine ganze Menge, meint Gundula Ludwig, denn durch staatliche Macht in Form von „heteronormativer Hegemonie“ würden wir zu Subjekten gemacht – und zwar ‚normalerweise‘ zu männlichen bzw. weiblichen und heterosexuellen. Dabei betont Ludwig die Gegenseitigkeit des Verhältnisses von Staat und Geschlecht: Nicht nur wirke staatliche Macht konstitutiv und vergeschlechtlichend auf Subjekte, sondern der Staat selbst werde im „Prozess der vergeschlechtlichen Subjektkonstitution erst hervorgebracht“. Deshalb seien weder der Staat noch Heterosexualität natürlich gegeben, (...) sondern ihre Konstruktion sei eine Regierungstechnologie, und nicht zu trennen vom ökonomischen (Neo-)Liberalismus. Mit ihrem Buch möchte die Autorin eine Leerstelle in der Forschung füllen: Einerseits sei die Staatstheorie geschlechtsblind, andererseits ließen queer-feministische Arbeiten zur Konstruktion von Geschlecht den Staat aus. Ludwig verspricht eine poststrukturalistisch antiessentialistische Theorie, die beides beobachten kann und so den Zusammenhang von Staat und Geschlecht erklärt. (shrink)
Die Einführung der HIV-Prophylaxe PrEP ist ein Beispiel für demokratische Biopolitik und macht Hoffnung auf eine Beendigung von Sexnegativität und Stigmatisierung, findet Dr. Karsten Schubert.
Diskriminierung und Menschenrechtsverletzungen gegenüber LSBTI-Personen werden heute international thematisiert und angeprangert – ein vergleichsweise neues Phänomen. Dennoch tragen die herrschenden Normen von Zweigeschlechtlichkeit und Heterosexualität weiterhin zur Diskriminierung bei: So sind gleichgeschlechtliche Partnerschaften in fast allen Staaten schlechter gestellt als heterosexuelle. Transgeschlechtliche Menschen erfahren Gewalt, weil ihr Verhalten und Äußeres nicht geltenden Normen entsprechen.
PrEP (Pre-Exposure Prophylaxis) is a relatively new drug-based HIV prevention technique and an important means to lower the HIV risk of gay men who are especially vulnerable to HIV. From the perspective of biopolitics, PrEP inscribes itself in a larger trend of medicalization and the rise of pharmapower. This article reconstructs and evaluates contemporary literature on biopolitical theory as it applies to PrEP, by bringing it in a dialogue with a mapping of the political debate on PrEP. As PrEP changes (...) sexual norms and subjectification, for example condom use and its meaning for gay subjectivity, it is highly contested. The article shows that the debate on PrEP can be best described with the concepts ‘sexual-somatic ethics’ and ‘democratic biopolitics’, which I develop based on the biopolitical approach of Nikolas Rose and Paul Rabinow. In contrast, interpretations of PrEP which are following governmentality studies or Italian Theory amount to either farfetched or trivial positions on PrEP, when seen in light of the political debate. Furthermore, the article is a contribution to the scholarship on gay subjectivity, highlighting how homophobia and homonormativity haunts gay sex even in liberal environments, and how PrEP can serve as an entry point for the destigmatization of gay sexuality and transformation of gay subjectivity. ‘Biopolitical democratization’ entails making explicit how medical technology and health care relates to sexual subjectification and ethics, to strengthen the voice of (potential) PrEP users in health politics, and to renegotiate the profit and power of Big Pharma. (shrink)
PrEP (Pre-Exposure Prophylaxis) is a relatively new drug-based HIV prevention technique and an important means to lower the HIV risk of gay men who are especially vulnerable to HIV. From the perspective of biopolitics, PrEP inscribes itself in a larger trend of medicalization and the rise of pharmapower. This article reconstructs and evaluates contemporary literature on biopolitical theory as it applies to PrEP, by bringing it in a dialogue with a mapping of the political debate on PrEP. As PrEP changes (...) sexual norms and subjectification, for example condom use and its meaning for gay subjectivity, it is highly contested. The article shows that the debate on PrEP can be best described with the concepts ‘sexual-somatic ethics’ and ‘democratic biopolitics’, which I develop based on the biopolitical approach of Nikolas Rose and Paul Rabinow. In contrast, interpretations of PrEP which are following governmentality studies or Italian Theory amount to either farfetched or trivial positions on PrEP, when seen in light of the political debate. Furthermore, the article is a contribution to the scholarship on gay subjectivity, highlighting how homophobia and homonormativity haunts gay sex even in liberal environments, and how PrEP can serve as an entry point for the destigmatization of gay sexuality and transformation of gay subjectivity. ‘Biopolitical democratization’ entails making explicit how medical technology and health care relates to sexual subjectification and ethics, to strengthen the voice of (potential) PrEP users in health politics, and to renegotiate the profit and power of Big Pharma. (shrink)
„Political Correctness“, „Identitätspolitik“ und „Cancel Culture“ werden heutzutage überwiegend als Waffen von Konservativen eingesetzt, um ihre Privilegien gegen emanzipative Neuregelungen zu verteidigen. Solche Neuregelungen als Einschränkung der Kunst- und Meinungsfreiheit zu kritisieren ist deshalb meist falsch. Tatsächlich tragen „Political Correctness“, „Identitätspolitik“ und „Cancel Culture“ zur inklusiveren Verwirklichung der Demokratie bei. Im Artikel zeige ich, dass es darauf ankommt, auf welcher Ebene politische Regulierungen der Kunst stattfinden: nicht-staatlich im allgemeinen Kunstbetrieb, para-staatlich im öffentlich-rechtlichen Rundfunk, oder staatlich. Nur wenn der Staat mit (...) zentralisierter rechtlicher, ökonomischer und symbolischer Macht in laufende Debatten eingreift, kann man von problematischer Cancel Culture sprechen - das ist fast nie der Fall. (shrink)
Ein Gespräch mit Cornelia Ulbert zur Governance von Risiken zwischen wissenschaftlicher Analyse und politischer Aushandlung. Die Fragen stellte Karsten Schubert.
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